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Die verbrannten Dichter

Am 10. Mai 1933 brannten in vielen deutschen Städten Scheiterhaufen, auf denen Bücher verbrannt wurden. Erich Schaffner erzählt die Geschichte von den Nazis, die vom Himmel gefallen kamen und ein unschuldiges Volk, insbesondere Rüstungsindustrielle und Bankiers, zu schlimmen Taten verleiteten, von denen niemand etwas ahnen konnte. Er erzählt die Geschichte an Hand von Zeugnissen zeitgenössischer Schriftsteller, deren Werke verbrannt worden waren.

Bücherverbrennung

 

 Heinrich Heine 1821: "Das war ein Vorspiel nur.  Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am  Ende auch Menschen."

 

Heine: "Wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wisst: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bei diesem Geräusch werden die Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden ihre Schwänze einkneifen und sich in ihre königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die Französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte."

 

                                                                   Und wer von uns verhungert ist
Der fiel in einer Schlacht.
Und wer von uns gestorben ist
Der wurde umgebracht.
Den sie holten mit ihren Soldaten
Dem hat Hungern nicht behagt
Dem sie den Kiefer eintraten
Der hatte nach Brot gefragt.
Dem sie das Brot versprochen
Auf den machen sie jetzt Jagd.
Und den sie im Zinksarg bringen
Der hat die Wahrheit gesagt.
Und wer ihnen da geglaubt hat
Dass sie seine Freunde sind
Der hat eben dann erwartet,
Dass der Regen nach oben rinnt.

Denn wir sind Klassenfeinde
Was man uns auch immer sagt:
Wer von uns nicht zu kämpfen wagte
Der hat zu verhungern gewagt.
Wir sind Klassenfeinde, Trommler!
Das deckt dein Getrommel nicht zu!
Fabrikant, General und Junker
Unser Feind, das bist du!
Davon wird nichts verschoben
Da wird nichts eingerenkt!
Der Regen fließt nicht nach oben
Und das sei ihm auch geschenkt!

Bertolt Brecht. Aus: Das Lied vom Klassenfeind

 

 

BALDER OLDEN

Mir wäre nichts besonderes passiert

Ich gehöre zu denjenigen, die „viel zu früh über die Grenze gegangen sind", denen nach Herrn Barthels beruhigenden Worten „nichts Besonderes passiert" wäre, wenn sie das „Dritte Reich“ erwartet und begrüßt hätten. Ich war ja nur ein unpolitischer Romancier. Mein Roman „Kilimandscharo“ hatte zwar die Überzeugung geweckt, dass ich den Krieg nicht für den Vater aller Dinge hielt und selbst einen so glorreichen Feldzug wie den 1914—18 in Afrika geführten verabscheute. Aber andererseits prangte mein Carl-Peters-Roman „Ich bin Ich" in vielen deutschnationalen Bücherschränken, zahlreiche Nationalisten hielten ihn irrtümlich für die Verherrlichung eines der Ihren. Als Nichtjude, als Frontkämpfer, durch Jahrzehnte Mitarbeiter bürgerlicher, auch konservativer Zeitungen und Zeitschriften, war ich der Reichstagsbrand­stiftung völlig unverdächtig und hätte weiterleben können wie ich bisher gelebt hatte. Als ich den Staub Deutschlands schon lange von meinen Pan­toffeln geschüttelt hatte, erreichten mich noch wohlgemeinte Briefe inzwischen gleichgeschalteter Redaktionen, ich sollte Beiträge senden und im Exil wurde ich mit dem Rufe begrüßt: „Was wollen Sie denn ? Sie hätten doch weiß Gott nicht zu fliehen brauchen!“

Ich habe diese Ansicht erst später begriffen, erst vor kurzem eigentlich, als vier unserer besten Dichter sich zu einem Kompromiss mit dem Dritten Reich bereiterklärten. Mir war der Gedanke, die Hitlerregierung schweigend zu dulden, unvorstellbar. Ich wusste längst, dass Hitler von all seinen Versprechungen nur die Gräuel wahrmachen würde, weil sie das Einzige waren, was er wahrmachen konnte. Brot hatte er nicht zu geben. Zu neuer Macht konnte er das Reich nicht führen. Sein Geheimplan, dessen Ausführung er keiner anderen Regierung gegönnt hatte, mit einem Schlag die Arbeitslosigkeit aus der Welt zu schaffen, blieb auch nach der Machtergreifung sein Geheimnis. Aber Zehntausende der tapfersten Deutschen zur Dauerfolter verdammen, den Geist in Eisen legen, sechshunderttausend Juden unter grässlichster Seelenpein in den Hungertod treiben, Galgen und Schafotte über das Reich hinsäen, Inquisitionskammern in jedem Marktflecken des Landes er­richten, die Hochschulen in Kasernen verwandeln, die Freunde des internationalen Friedens zu Feinden der Nation und vogelfrei erklären, zarte Kinder beim ABC zu Mördern und Folterknechten erziehen, aus der deutschen Justiz, die seit langem erbärmlich krankte, eine grauenhaft stinkende Leiche machen — diesen ganzen Teil seines Programms, das in den Boxheimer Dokumenten festlag, konnte er im Handumdrehen ausführen.

Eine Satrapenschar, wie die Welt sie noch nie erlebt hat, eine Schar approbierter Fememörder, Ministermörder, gemeingefährlich befundener Geisteskranker stand ihm zur Verfügung. Ich sah ihn mit entsetzten Augen noch entstehen, diesen Garten der Qualen: Deutsches Reich. Auf offener Straße droschen die Totschläger der SA. Menschenschädel zu Trümmern, Zuchthäusler wurden Polizeibeamte; jedes Haus, in dem man sich schlafen legte, konnte über Nacht zur Todesfalle werden. Mit jedem Wort des Protestes sprach man sich selbst das Urteil. Was die eigenen Augen gesehen hatten, durfte der Mund nicht wiedergeben. Sie hätten doch weiß Gott nicht zu fliehen brauchen!

Was wäre denn meine Aufgabe gewesen? Die Augen, die Ohren zu schließen, heitere Romane, friedvolle Stimmungsbilder aus vergangenen Tagen zu schreiben, ein Lügner zu werden, wie ihn Gott nicht erbärmlicher schaffen konnte. So hätte ich in Schanden grau werden, vielleicht auch das Dämmern einer besseren Zukunft erleben können, für das andere Männer kämpften. Aber dann wäre ja einst mein Grab ein Misthaufen unter Zypressen gewesen. Es gab nur Selbstmord oder — nein, auch die Flucht aus Deutschland war keine Flucht vor dem Selbstmord! Das Brüllen der Gequälten tobt für den, der es hören will, millionenstimmig über alle Grenzen des Hitlerreiches, man kann nichts anderes denken, wie sollte man anderes schreiben? Um mich nicht ausrotten, zu müssen, musste ich mit dem Geist des Bösen kämpfen, aber wie, mit welchen Waffen?

In den ersten Monaten des Exils hatte ich fast vergessen, dass ich eine Waffe besitze, dass ich Romane schreiben kann, dass eine Tat zu versuchen war, wie sie einst „Onkel Toms Hütte“ gewesen ist, dies fromme Werk eines redlichen Frauenzimmers, das, wie kein anderes Buch, die Schmach der Neger­sklaverei von der Erde tilgen half. Diesen Roman habe ich nun geschrieben, nicht im Fieber der Wut, sondern so kalt, wie nur der tiefste ehrliche Hass macht. Er soll dort wirken, wo Leitartikel und Pamphlete nicht hindringen, er soll bildhaft machen, was die zivilisierte Menschheit heute noch nicht fassen kann. Nur ein Tausendstel, ein Zehntausendstel aller Gräuel, von denen ich wusste, durfte ich andeuten, — nur soviel, wie die Menschheit mit ihren stumpfen Organen und trägen Herzen gerade noch aufnehmen kann. Manchmal, während der Arbeit, kam ich mir wie ein Lügner vor, weil ich so viel Jahres verschwieg. Aber es war doch schön, zu denken, dass dies Zehntausendstel Ohren aufreißen und Herzen zum Sturm anfachen könnte, bis sie Kraft genug haben, die ganze Wahrheit zu hören und zu glauben, bis sie nicht mehr zaudern können, das Infame auszurotten. Aber, selbst wenn mein Buch ein Fehlschlag werden sollte, wenn mir der große Fanfarenstoß nicht gelungen ist, — was meine Kraft vermag, habe ich getan.

Zu diesem Zweck, um meine Seele retten zu können, war es weiß Gott nötig, dass ich das Land verließ, für das ich in Ostafrika im Weltkrieg gekämpft, dem ich eine Steuer von sechs meiner besten Jahre entrichtet habe, und in dem mir vielleicht — nicht Besonderes passiert wäre.

 

 

 

Kurt Tucholsky 1932

Zoologie

Ein Borvaselinchen lief, von Gott gesandt, durch deutsches Land

  Es glänzte fettig-hell im Sonnenscheine   und rührte emsig seine kleinen Beine.

Doch gestern morgen in der Abendstunde, verschwand es still in Adolf Hitlers Munde.

Dieweil der Junge alle Welt befehdet, hat er sich nämlich einen Wolf geredet.

Jetzt aber geht es schon bedeutend glatter. Es kritzeln emsig die Berichterstatter.

         Und einer lauscht, und er notiert:         »Der Tschörmen redet wie geschmiert.«

Da hat er recht. Uns bleibt nur dies Problem: Geschmiert? Von wem?

 

 

Kalle:

Werdens nicht schwach, das ist der Fehler bei allen Demokratien. Sie können nicht bestreiten, dass Deutschland absolut demokratisch ausgeschaut hat, bis es faschistisch ausgeschaut hat. Dem Gastwirt Ebert haben die besiegten Generäle eine eigene lange Leitung ins Große Hauptquartier bewilligt, damit er hat telephonieren können, wenn das Volk unruhig geworden ist. Die Ministerialräte und die hohen Richter haben mit ihm konferiert, als obs das Natürlichste von der Welt war, und wenn sich ab und zu einer die Nase zugehalten hat, ist das nur ein schlagender Beweis gewesen, dass sie nicht mehr hingehen konnten, wo sie wollten, sondern zum Gastwirt Ebert haben gehen müssen, sonst wars aus mit den Posten und Pensionen. Ich hab gehört, dass einer von den Ruhrindustriellen, ein bekannter Alldeutscher, sich einmal zu sträuben gewagt hat. Da hat der Gastwirt ihn höflich aber bestimmt gebeten, sich auf einen Stuhl zu setzen, und dann hat er sich von zwei Sozialdemokraten hochheben lassen und hat dem Industriellen den Fuß auf den Nacken gesetzt. Die Herren haben eingesehen, dass sie eine Volksbewegung hinter sich brauchen, sonst gehts nicht. Ein paar geschickte Operationen haben da zum Ziel geführt! Zuerst haben sie durch die Inflation den Mittelstand geschröpft, dass er ruiniert war. Die Bauern sind durch Tarif- und Zollpolitik zugunsten der ostelbischen Junker ruiniert worden. Von den ausländischen Banken haben sich die Herrn Milliarden gepumpt und ihre Fabriken so durchrationalisiert, dass sie mit viel weniger Arbeitern ausgekommen sind, und so ist ein großer Teil der Arbeiterschaft in eine Bettelschaft verwandelt worden. Aus den ruinierten Mittelständlern, Bauern und Arbeitern haben sie dann die nationalsozialistische Volksbewegung gebildet, mit der sie bequem einen neuen Weltkrieg anzetteln haben können. Alles ist gegangen, ohne dass die innere Ordnung gestört worden ist. Sie ist garantiert worden durch die neue Armee von bezahlten Soldaten, die ihnen die Alliierten von Anfang an gegen den inneren Feind erlaubt haben.

Aus "Flüchtlingsgespräche" von Bertolt Brecht (1940-41)

 

 

Schiller

   Während der deutschen Besetzung Frankreichs tritt ein  Deutscher in das Abteil eines Zuges von Paris, grüßt mit Heil Hitler den einzigen französischen Fahrgast, der mit Bonjour antwortete, und setzt sich auf diese Brüskierung hin ärgerlich nieder. Bald darauf entdeckt der Deutsche, dass der Franzose Schiller liest. jetzt beschließt er, Rache zu nehmen, und sagt ironisch: "Aha, unseren deutschen Dichter Schiller lesen Sie also, aber Heil Hitler können Sie nicht sagen!" Darauf antwortet der Franzose: "Wieso, Schiller ist doch ein internationaler Dichter." Der Deutsche erstaunt, und sein Gegenüber erklärt ihm: ja, sehen Sie, er hat für die europäischen Völker geschrieben, für die Engländer Maria Stuart, für die Spanier Don Carlos, für die Tschechen Wallenstein, für die Schweizer Wilhelm Tell, für die Franzosen Die Jungfrau von Orleans." Da wird der Deutsche ungeduldig und fragt: ja, und was denn für die Deutschen?" Darauf sagte der Franzose ruhig: "Die Räuber."

 

 

Ihr Brüder, hier im fernen Kaukasus
  Lieg nun ich, schwäbischer Bauernsohn, begraben
  Gefällt durch eines russischen Bauern Schuss.
  Besiegt ward ich, vor Jahr und Tag, in
  Schwaben.                    Aus: "Kriegsfibel" von Bertolt Brecht

 



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