Das lange Zeit für unspielbar gehaltene,
selten gespielte Riesenwerk,
von einem einzigen Schauspieler in Szene gesetzt.



"Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen.
Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen
worden. Die grellsten Erfindungen sind Zitate!"

Ein Trauerspiel der Menschheit, den ersten Welkrieg zum Thema, weniger Drama als
vielmehr: Kolportage der Kriegszeit, Wortkollage, Geräuschkollage, ein
zusammengesammeltes Sittengemälde, von Karl Kraus synchron zum Zeitgeschehen
fortlaufend in seiner Zeitschrift "Die Fackel" veröffentlicht, satirisch und
dokumentarisch.

Das Original von "Die letzten Tage der Menschheit", geschrieben in den Jahren 1915
bis 1917, umfaßt nahezu 800 Druckseiten, enthält über 200 Szenen und benötigt
ungefähr 500 Schauspieler, nicht zu zählen die zwölfhundert Pferde des Grafen Dohna
und die Kohorten der zerlumpten Soldaten.

In 48 Szenen führt Erich Schaffner die Stimmen der Zeit vor: er portraitiert senile
Generäle, Kriegsgewinnler, Schieber, Scheinheilige, Heuchler, Deutschzackige,
dichtende Hurrapatrioten, böse Kinder, Wohlfahrtsnachmittagstanten sowie
Kriegsreporter an vorderster Front, die den Soldaten heldenhafte Worte in den Mund
legen, sie für die vaterländische Presse fotografisch verewigen - und sterben lassen...








Presse

Das Stück gilt gemeinhin als unspielbar und wird mit bezeichnenden
Etiketten wie "Monstertragödie" und "Dinosaurierdrama" versehen. In
ganzer Länge gespielt, würde es nicht weniger als zehn Theaterabende
füllen und rund fünfhundert Schauspieler erfordern. Aus diesem Grund
hat Karl Kraus seine Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog "Die
letzten Tage der Menschheit" auch "einem Marstheater zugedacht", wie
es in der Vorbemerkung heißt....

... Wer sich mit Skepsis auf dieses Programm eingelassen hatte, wurde
aufs angenehmste überrascht: Erich Schaffner brillierte in Dutzenden von
Rollen, in die er schlüpfte, mit Glaubwürdigkeit, Wiener und Berliner
Sprachkolorit, Wechsel des Wesens und Charakters, kurzum: mit
mimischem Bravour. Dabei beschränkt er sich durchaus nicht darauf,
Monologe vorzutragen, sondern er spielt Szenen, in denen er simultan
zwei oder drei Gesprächspartner darstellt....

... In den "letzten Tagen der Menschheit" präsentieren sich die Kriegsjahre
1914 bis 1918 als szenisches Puzzle aus Politik, (Kriegs-) Wirtschaft, Gesell-
schaft und Kultur; allen Szenen gemeinsam ist allenfalls die Darstellung
einer Wirklichkeit die sich von entfesseltem Wahnsinn ableitet. Dieser Dar-
stellungsintention des Autors wird Erich Schaffner durch seine repräsen-
tative Auswahl von 48 Szenen gerecht. Mit Karl Kraus führt Schaffner das
Publikum in die Straßen und Hinterhöfe von Wien und Berlin, in
Kasernenhöfe, Caféhäuser und Kanzleien, in proletarische Elendsquartiere
und großbürgerliche Nobelwohnungen, ins Lazarett und vor ein Standgericht.
Er präsentiert sich als Denker und Kriegsgewinnler ebenso wie als Caféhaus?
Besitzer, patriotischer Zeitungsleser oder Nörgler, ja sogar als Alfred Kerr und
Richard Dehmel.
   Das Publikum war begeistert und applaudierte minutenlang für einen
Kleinkunstabend, wie man ihn sich wünscht.
(Donau Kurier)

Natürlich läßt Schaffner jene Reihe von Larven und Lemuren, von Masken des
tragischen Karnevals, die in Verkennung der realpolitischen Situation mit dem Witz und
der Eleganz von Walzertänzern in den Krieg schlitterten, nicht beiseite. Und diese Texte
entfalten, inhaltlich und formal, noch immer Ansprechendes, gerade weil sie, wider alle
Zumutungen der Öffentlichkeit, insbesondere der Presse, Klugheit gegenüber den
Erscheinungen des Lebens durch alle sozialen Klassen und Berufe hindurch
demonstrieren. Wenn "der Optimist" und "der Nörgler" sich austauschen, ist das eine
bis zum heutigen Tag gültige Konstellation. Hier findet sich, schon historisch von
Interesse, auch die berühmte Stelle, wenn der Nörgler bemerkt, die deutsche Bildung sei
"kein Inhalt, sondern ein Schmückedeinheim, mit dem sich das Volk der Richter und
Henker seine Leere ornamentiert". Der Optimist wendet dagegen ein: "Das Volk der
Richter und Henker? So nennen sie die Deutschen? Das Volk Goethes und Schillers?"
Und welche Tonart der Rezitation wäre heute bei diesen Gegebenheiten wohl die richtige?
Schaffner trägt das Vorwort dieses 1922 als Buch publizierten Dramas mit
expressionistisch? identifikatorischem Pathos vor, was die Zuhörer irritiert, aber, weil es
nicht allzulang dauert, ausgehalten wird.
(FAZ)

Diese Woche gehen die 3. Alsfelder Literaturtage zu Ende. Einen ihrer
Höhepunkte lieferte die Aufführung der fünfaktigen Tragödie "Die
letzten Tage der Menschheit". Der österreichische Schriftsteller Karl
Kraus (1874-1936) entwarf das Theaterstück als wachsamer Zeitzeuge
des ersten Weltkrieges. Es gilt heute als sein Hauptwerk.

Erich Schaffner, Schauspieler und Kabarettist, war der Akteur des
Abends. Sein beachtenswertes Vorhaben, dieses Mammutwerk, das im
Original über 200 Szenen mit zirka 500 Mitwirkenden umfaßt, auf ein
Einpersonenstück zu reduzieren, wurde vom Publikum mit Spannung
erwartet. Das Vorhaben gelang. Akustisch begleitet von einem
Tonbandgerät schaffte es der Darsteller durch häufigen
Garderobenwechsel und spärliche Hilfsrequisiten, alle nur erdenklichen
Szenen Wirklichkeit werden zu lassen - halb auf der Bühne, halb in der
Phantasie der Zuschauer. Die Darstellung mehrerer Personen in einer
Szene wurde durch einfachen Positionswechsel, Änderung des Tonfalls
und winzige Variationen des Aussehens bewerkstelligt. Heraus kam ein
48szeniges Konzentrat der Vorlage, in der die Intention des Urwerkes
klar zu Tage trat...

... In diesem provokanten Stil hielten sich auch die restlichen der
insgesamt 48 Szenen in denen Erich Schaffner mit Wiener Dialekt
und Rollenreichtum bestach....

... Großen Hoffnungen, daß der Mensch einst die Sinnlosigkeit des
Krieges erkennen und konsequent danach handeln könnte, gibt sich
Karl Krausjedoch nicht hin. Im Prolog der Tragödie sagt er es deutlich:
"Denn über alle Schmach des Krieges geht die des Menschen, von ihm
nichts mehr wissen zu wollen, indem sie zwar ertragen, daß er ist, aber
nicht, daß er war."
(Alsfelder Allgemeine)

Die "Letzten Tage der Menschheit" als Einpersonenstück. Kaum zu glauben,
sollte man meinen, daß Schaffner hielt, was er versprach: eine Frau im
Hintergrund, der Mann am Mischpult und der Schauspieler Erich Schaffner als
Hauptpart in 48 Szenen. Eine Leistung par excellence, Schaffner ein
Verwandlungskünstler und Charakterdarsteller in einer Person. Immer wieder
fliegende Wechsel von Figuren, Kleidung, Tonfall und Gehabe und die
Requisiten stimmten bis ins Detail....

... Die Kraus'sche Dramaturgie bleibt für den einmaligen Betrachter eben immer
noch ein harter Brocken, was der schauspielerischen Leistung eines Erich
Schaffner jedoch keinen Abbruch tut.
(Oberhessische Zeitung)

Es hat in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, dieses
Stück auf die Bühne zu bringen, Versuche, die zumal dann
scheiterten, wenn man das ganze Personenregister und den
gesamten Text des Stückes vorführen wollte. Erich Schaffner
hingegen gelang in seiner Gemeinschaftsproduktion mit dem Bozner
Kulturkreis "Bertolt Brecht" und der "Südtiroler
Autorenvereinigung" eine hervorragende Leistung, nicht nur, weil
er von den rund 220 Szenen bewußt 48 ausgewählt und dadurch ein
homogenes Bild dieses gewaltigen Dramas vermittelt hat, sondern
auch, weil er die schier unendlich variierenden Schauplätze,
Typen, Situationen und Sprachebenen gekonnt einsetzte. Seine
Ein-Mann-Show gestaltete sich zu höchster Eindringlichkeit und
zu einer der Tragweite des Stückes angemessenen Sprech- Spiel- und
Verwandlungsleistung. Die scheinbar wahllos
nebeneinandergestellten Wirklichkeitsausschnitte aus dem Ersten
Weltkrieg, deren verbindendes Element die von der grölenden
Menge und der Unvernunft skrupelloser Politiker und Offiziere
ausgerufene Kriegsbegeisterung ist, werden in der Inszenierung
Schaffners lebendig, verständlich und plastisch. Seine oft
virtuose Sprechleistung einer zweieinhalbstündigen Toncollage
zwischen selbst Gesprochenem und aus dem Hintergrund tönenden
erläuternden Zwischentexten kam vor allem dann zum Tragen, wenn
er in rascher Abfolge die vielen Figuren aus dem täglichen Leben
darstellte: den Mann auf der Straße, den Patrioten, den
Soldaten, den Offizier, den alten General, die Prostituierte,
den Kellner, den Zeitungsausrufer, den Reporter, die
Kriegsberichterstatter, den Dichter und den Feldkuraten....

... Es überzeugten auch die zentralen Dialoge des Stückes, Jene
zwischen dem Nörgler und dem Optimisten: kurz und schlagend in
der Antwort, larmoyant und breit in der Fragestellung. Ein Hauch
von Travnitschek-Realismus des unvergeßlichen Helmut Qualtinger
schwebte mit. "Wer Parallelen sehen konnte, der hat gesehen". In
der Umdeutung des Anfangszitats aus dem vorzüglich gearbeiteten
Programmheft ergibt sich die Aktualität der Inszenierung: "Der
Schrei nach Veränderung bestehender Verhältnisse."
(Rundfunk Bozen)

Er tat dies so eindringlich, dass die rund einhundert Zuhörer in dem abgedunkelten Saal beinahe glauben konnten,
sie seien tatsächlich auf den Straßen Wiens und hörten das Gerede über den "Erbfeind". Sie saßen dabei, als
Journalisten eine Schauspielerin davon überzeugten, sie sei in Russland während einer Tournee "drangsaliert"
worden....
(Freitags-Anzeiger)

Dieser Abend deckte alles ab - war Gedenkritual,
Dokumentationsveranstaltung, Klage und Anklage. Spannendes
Geschichtsstundentheater eben und nur scheinbar ein Mosaik wahllos
nebeneinander gestellter Wirklichkeitsausschnitte, deren
verbindendes Element die entfesselte menschliche Unvernunft ist.
Obgleich nach Lessing ein Dramatiker kein Geschichtsschreiber zu
sein hat, sondern "durch Täuschung rühren sollte", gelang dem
österreichischen Autor Karl Kraus mit der Tragödie "Die letzten Tage
der Menschheit" ein Stück grandioses Welttheater mit historischem
Hintergrund das heute, angesichts der Geschehnisse auf dem Balkan,
eine beklemmende Aktualität erhält.

Wenn denn "ein barbarischer Krieg als blutige Tat vor allem eine
Expansion des schon im Frieden betriebenen Geldgeschäfts ist", dann
ist es Karl Kraus, dem dieser Nachweis überzeugend gelingt mit
einem Drama, das eigentlich aus 220 Szenen besteht und mehr als
fünfhundert Figuren benötigt....

... Der in Südhessen beheimatete Darsteller und Autor Erich Schaffner
... entwickelt daraus ein brillantes Solostück, mit dem er am
Freitagabend in der Stadthalle begeisterte....

... Zivilisten jeder sozialen Schattierung treten auf, die
Stammtischbrüder ebenso wie der Bankdirektor, der Optimist und der
Nörgler, die Marktfrau und der Reporter. Mit provokativer
Bestimmtheit und wortreich gehen sie alle ins Detail, machen sich
sarkastisch über Kriegsereignisse und den Ungeist her, der die
Gehirne allerorten umnebelt. Blutrünstiger Patriotismus, groteske
Ungleichheit und gespenstische Wirklichkeit gerinnen in einem
oftmals überbordenden Redeschwall zu einer humorvoll-giftigen
Mixtur.
Mundartlich recht gemütlich beim Wiener Schmäh, prall-deftig beim
Wiener Sound und dessen sarkastischen Wortspielen,
grimmig-aggressiv in der zornigen Entladung von Ängsten, hohlköpfig
beim Rassismus, bitter im Leid und bei den flapsigen Sprüchen, die
allemal stets herzhaftes Gelächter hervorrufen....

... In Schaffners großartiger, von böser, hinterhältiger Komik
markierter Interpretation dominiert die Sprachkanonade,
unterbrochen von kurzen Musikeinspielungen, Schlager, Märsche,
Chansons, die die Intensität der Worte unterstreichen, den Zeitbezug
Intensivieren und dem Auditorium ein kurzes Aufatmen ermöglichen.
Schaffner schafft alles, flötet und gurrt, schreit, wienert und berlinert,
gibt den Krakeeler und den Schwärmer, den Schüchternen und den
Draufgänger und brüllt sie markig heraus, die Presse-Schlagzeilen,
die Kraus als Kriegstreiberei entlarvt und die Durchhalteparolen, wie
man sie knapp dreißig Jahre später erneut vernehmen wird.
(Rüsselsheimer Echo)

Erich Schaffner ... kam in dieser Art darstellender Lesung der Kraus'schen Intension,
die Wort und Inhalt gegenüber der "stofflichen Sensation" betonte, erstaunlich nahe.

Dies soll aber nicht heißen, daß Schaffner als Schauspieler blaß blieb. Im Gegenteil: Es
verblüffte sein Talent, mit wenigen Requisiten und einem Tonband-Ansager, von
Karlfried Kunz-Weißmann mit viel Freude am Detail hergestellt und bedient, die
unterschiedlichsten Charaktere auferstehen zu lassen....

... Ein unterhaltsamer und nachdenklicher Abend, der anregt, sich näher mit dem
Wiener Schriftsteller zu befassen.
(Oberhessische Presse)

Bis auf den letzten Platz ausverkauft war das Marburger
Kommunikations- und Freizeitzentrum (KFZ), als am 14. 2.
Erich Schaffner dort "Die letzten Tage der Menschheit" als
Einpersonenstück aufführte....

... Schaffner führte uns vom Caféhaus ins Ministerium, von
der Wiener Ringstraße in eine Berliner SPD-Versammlung, aus
einer Kirche, in der gerade die Glocken zum Einschmelzen
abgehängt werden, zu den Schlachtfeldern des I.Weltkrieges
an verschiedenen Fronten. Schmierende Journalisten,
bramarbasierende Pfarrer, vertrottelte Generale, prassende
Kriegsgewinnler, Caféhausstrategen, wildgewordene
Kleinbürger, aber auch all die gequälten und geschundenen
Kreaturen am Ende der gesellschaftlichen Leiter werden uns
vorgeführt. Das Geschehen auf der Bühne, Musik, Stimmen und
Geräusche vom Tonband, all das vermischt sich zu einem
grandiosen Welttheater.

Es gibt Szenen, bei denen. einem das Lachen im Halse
steckenbleibt, Andere lassen ob der dargestellten
Grausamkeiten das Blut in den Adern gefrieren. Dann ist man
einfach nur betroffen über die Banalität des Bösen. Hat man
dabei noch im Hinterkopf, daß die meisten der dargestellten
Situationen tatsächlich stattgefunden haben, daß die
meisten vorgetragenen Texte tatsächlich gesprochen oder
geschrieben worden sind (Kraus war ein genauer Beobachter
und akribischer Arbeiter), wird den Zuschauer auch nach
der Vorstellung ein flaues Gefühl im Magen so schnell nicht
verlassen.
(Unsere Zeit)

Aus dem Sturzbach satirischer Momentaufnahmen - manches Bild dauert keine
20 Sekunden wählte sich Erich Schaffner knapp 100 aus. Zuweilen spielte er
nebeneinander drei bis vier Typen auf einmal, was die Aufführung ungemein
fesselnd machte. Nur unterstützt von einer schweigenden, zielsicher
zupackenden Garderobiere, war das Spiel begleitet durch ständigen Wechsel
von Kostümen, Perücken, Bärten und ähnlichem....

... Langanhaltender starker Beifall des Publikums. Dennoch: der allzu deftige
"Weaner Dialekt" und eine recht schlechte Tonbandübertragung von
Kommentierungen des Schaffner-Spiels auf der Bühne - oft verbunden auch mit
Pointierungen - beeinträchtigten das Hörvergnügen erheblich.
(Dreieich Spiegel)

- "Die Presse ahnt gar nicht, wie gut es ihr geht, Ja glaubt sie denn, daß es mir heute
von der Zensur gestattet würde, nachzudrucken, was täglich den Wiener Zeitungen
steht?" schrieb Karl Kraus 1915....
... Schaffner gelingt es mit großer Wandlungsfähigkeit, die Enge und Unsicherheit und
auch die Arroganz deutlich zu machen. Mit Hilfe von Tonbandeinspielungen, die
Szenenanweisungen und Stichworte liefern, wird Schaffner in seiner bestechenden
Einsamkeit auf der Bühne zum Wiener schlechthin. Die Inszenierung verharrt in der
Historie, so daß herstellbare aktuelle Bezüge jedem Zuschauer selbst überlassen
bleiben. Jedoch steht dieser "Wiener" durchaus an jeder Straßenecke.
Wer Schaffner gesehen hat, vergißt ihn nicht so schnell.
(Wiesbadener Tagblatt)




Karl Kraus Biographien (weiterklicken zu einer Google-Übersicht)

Zurück zur Übersicht
Zur Übersicht