Aus der Presse
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Schaffner
versetzte den Zuschauer zunächst in die Zeit von 1914, als die schon
lange schwelenden Konflikte hochgerüsteter und in Selbstverherrlichung
erstarrter Nationengebilde zum offenen Krieg ausbrachen und Heerscharen
junger Männer unter dem Beifall der Bevölkerung an die Front zogen,
die bald schon in ein Massengrab ausartete.
Authentizität erreichte Schaffner durch Zitate. Aus Zeitungsschlagzeilen und Sitzungsprotokollen tönte ein heute nur noch mit Zynismus lesbarer Ruf nach Weltherrschaft und Völkerhass. Die Kriegslüsternheit war allgegenwärtig. Der letzte Kochtopf wurde der Rüstungsindustrie gespendet, die letzte Kirchenglocke eingeschmolzen. Mit Zynismus trug Schaffner auch einige Lieder vor, auf dem Klavier begleitete ihn Georg Klemp aus Frankfurt. Beide sind zur Zeit mit diesem Programm auf Tour. Dies war bereits das vierte Mal, dass er im Dicken Busch mit einer seiner zeit- und gesellschaftskritischen Darbietungen auftrat. Rüsselsheimer Echo |
Wie groß die Leiden eines Asylsuchenden oder Flüchtlings sein können, legte der selbst davon betroffene Bertolt Brecht in vielen seiner Texte nieder, welche eindrucksvoll und mit großer Leidenschaft von Erich Schaffner im Anschluss an die Eröffnungsrede vorgetragen wurden. Der Schauspieler wählte für das musikalisch literarische Programm ganz bewusst sehr sozialkritische Texte und Lieder von Brecht aus, die mitunter ein sehr düsteres Bild der Menschheit vermitteln. So waren unter anderem so bekannte Lieder wie "Mackie Messer" oder "Lied des Händlers" und vertraute Texte wie "Die Auswanderung der Dichter" oder auch "Der Nachbar" zu hören, die im Wechsel wiedergegeben wurden. Dank seiner tragenden, sonoren Stimme und seiner sehr lebendigen Mimik, machte es Schaffner seinem Publikum leicht, sich in die Welt von Bertolt Brecht zu versetzten, die vom zweiten Weltkrieg, Vertreibung, Verbrechen und Hungerleiden geprägt war. Nicht zuletzt gelang dies auch durch die hervorragende Unterstützung von Georg Klemp am Klavier. Mainspitze |
Wer
Ernst Busch auf Originalaufnahmen hört, der wird schnell eingefangen
von der Intensität seiner Stimme. Durchdringend und pathetisch kommt er
daher, und vieles von dem findet sich auch in dem Programm von Schaffner
und Klemp wieder...
Mainspitze |
Schaffner,
ein junger Schauspieler, der früher u.a. am Theater in Ingolstadt
engagiert war, reist seit einigen Monaten mit einem festen
Vortragsprogramm durch die Bundesrepublik. Um ihn nach Hamburg zu holen,
wurden von jedem Besucher 1,50 DM Eintritt kassiert. Das Programm war
diesen kleinen Unkostenbeitrag sicher wert. Schaffner trug eine Folge
von satirischen Gedichten, Liedern, Kurzprosatexten und Witzen vor,
verbunden durch autobiographische Aussagen von Schriftstellern über
Faschismus und Exil und historische Erläuterungen u.a. von Bert Brecht,
Werner Finck, Erika Mann, Erich Weinert... Hamburger Lehrerzeitung |
Chronologisch ging Schaffner vor:
Dreist, mutig und direkt die Anspielungen der Kabarettisten in den
zwanziger Jahren, tiefgründig, versteckt in Wortspielereien jene nach
der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Die Gedichte der
emigrierten Schriftsteller dagegen sind oft nachdenklich, voller
Trauer, offen und in keiner Weise beschönigend, wie die "Eheballade"
von Hans Jahn.
Der Frankfurter Schauspieler rezitiert nicht nur, er spielt die kleinen Sketche vor. Zwei Rollen auf einmal schafft Schaffner spielend. Er ändert die Position auf der Bühne, die Stimmlage, die Gestik und schon ist er sowohl Polizist als auch die alte Frau, die sich das obere Plakat von dem Gesetzeshüter vorlesen lässt. "Keiner darf mehr hungern und frieren", liest ihr der Polizist stolz vor. "Das ist also ab heute auch verboten", kommentiert die Alte. Schaffner schlüpft während des Programms aber nicht nur in die jeweiligen Rollen, die die Sketche vorgeben. Balladen werden selbstverständlich gesungen, auch ohne Musikbegleitung. Dialekte sind dem Frankfurter Schauspieler geläufig.... Aus unterschiedlichen Quellen hat Erich Schaffner seinen Abend" zusammengestellt: Bücher, Zeitungen, von Augenzeugen Erzähltes.... Heute vor 47 Jahren begannen die Nationalsozialisten diesen Zweiten Weltkrieg. Und wohl nicht umsonst stellte Schaffner folgendes Gedicht von Brecht an den Schluss des Programms: "Das Gedächtnis der Menschen für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz ... Die Welt wer noch mächtig nach dem ersten Krieg, bewohnbar noch dem zweiten, nicht mehr auffindbar nach dem dritten." Heilbronner Stimme |
So
manchen betroffenen Lacher erntete Schaffner auch auf seine Frage, wieso
die Gasmaskenproduktion noch während des Krieges eingestellt worden
sei? Die Gesichter seien nämlich zu langgeworden, so dass die Masken
nicht mehr passten, erklärte Schaffner. Diese wie auch andere bissige
Fragen charakterisierten und durchzogen das gesamte Programm. Mit Brecht
teilt der Schauspieler die Auffassung, dass die Vorstellungsgabe der
Menschen für vergangene Leiden sehr kurz sei, und was zukünftige
Leiden angehe, so sei die Vorstellungsgabe noch weit kürzer. Diese
Abgestumpftheit gelte es zu bekämpfen. und das tausendmal Gesagte noch
ein weiteres Mal zu wiederholen, damit es nicht ein einziges Mal zu
wenig gesagt werde.
Mainspitze |
Weinert war auch der
Autor der phantastischen Darstellung des deutschen Raubzuges durch
Europa als kulinarische Rundreise, bei der die Nazis freilich nie
zahlten, in Polen gleich noch das Geschirr mitnahmen und am Ende,
nachdem sie in Russland einen leeren Tisch vorgefunden und sich damit
übernommen hatten, auch die Mitläufer unter ihnen zum Begleichen der
Zeche aufgefordert wurden....
So nahm man mehr oder weniger entsetzt die weitergereichte Nachricht zur Kenntnis, nach der 16 Prozent aller über 65jährigen heute noch glaubten, Polen habe den zweiten Weltkrieg angefangen. Da fiel einem die Aufforderung von Walter Mehring wieder ein: "Nun, da Ihr wisst, wie alles enden kann, vergesst nie, wie es begann!" Oberurseler Kurier |
Die Hände
der Zuhörer ruhen. Manche Texte vertragen keinen Applaus. "Gott im
Himmel, wenn sie ein Ohr hätten, wüssten sie, was man mit ihnen
macht." Nachdem der letzte Satz von Bertolt Brechts Ballade von der
"Judenhure" verklungen ist, herrscht Stille.... Ein anderes Mal spricht er mit bayerischem Akzent, zitiert einen Dialog zwischen Vater und Sohn, den Karl Valentin einst getextet hat. Vom Vater will der Sohn wissen, ob es ewig Kriege geben wird. Und warum es Kriege gibt. Und ob das Volk gefragt wird, ob es überhaupt einen Krieg will, und ob die Soldaten denn gefragt werden, ob sie überhaupt einen Krieg wollen. Nach zahllosen Antworten auf zahlreiche Fragen hat der Vater seinen Sohn schließlich davon überzeugt, dass es ewig Kriege geben wird. Krieg und Politik tauchen in Kurt Tucholskys Gedicht "Ideal und Wirklichkeit" zunächst nicht auf "In stiller Nacht und monogamen Betten denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt." Ein Mann im Publikum lächelt seine Frau an, als Erich Schaffner davon singt, dass man immer "eine große Lange" möchte, und dann doch "eine kleine Dicke" bekommt. Cest la vie." Am Ende des Streifzuges angelangt, ist in der Cyriakusgemeinde doch noch lautstarker Applaus zu hören: "Wir dachten unter kaiserlichem Zwange an eine Republik... und nun ist's die!" Frankfurter Rundschau |