Zum Plakat

 

 

Erich Schaffner spricht und singt:

Satiren unterm Beil?

antifaschistische Satiren und Lieder von 1933 bis 1945,

aus einer Zeit, in der die deutsche Wirtschaft ihren Standort von Massenmördern pflegen ließ. 

Schaffner erzählt die Geschichte von den Nazis, die vom Himmel gefallen kamen und ein unschuldiges Volk, insbesondere Rüstungsindustrielle und Bankiers, zu schlimmen Taten verleiteten, von denen niemand etwas ahnen konnte. Er erzählt die Geschichte an Hand von Zeugnissen zeitgenössischer Künstler sowie von Witzen und Parodien, deren Verfasser unbekannt sind.

 Am Klavier: Georg Klemp

  „In den finsteren Zeiten, wird da auch gesungen werden? – Da wird auch gesungen werden: von den finsteren Zeiten.“ (Bertolt Brecht) 

Literatur hinter der vorgehaltenen Hand – Flüsterwitze, scharfzüngige Aphorismen, umfunktionierte Kinder- und Kirchenlieder, Glossen, Rätsel, Märchen, Anekdoten, Parodien und Parabeln, Sketche, Sprechszenen, Kurzgeschichten wurden geschaffen, in Exilkabaretts vorgetragen, auf Flugblättern und über Radiosender im „Reich“ verbreitet.

Dort wurde auch gelacht, denn einige hatten ja zu lachen...anfangs...später weniger. Andere hatten nichts zu lachen, trotzdem erzählten sie Witze, machten mit Sprüchen und Liedparodien die braunen Mörder lächerlich. Die SS sammelte Witze, die gegen die Nazis gerichtet waren. Sie wollte die Stimmung in der Bevölkerung kennen. 

Dürfen wir heute darüber lachen?

Mancher musste das Erzählen eines Witzes mit dem Tode bezahlen.

Wenn die Satire eine Erkenntnis bringt, der Wahrheit gegen die Lüge zum Durchbruch verhilft, dann ist sie nützlich, auch heute, wo sie nicht den Kopf kosten kann.

 

 

Die deutsche Bildung ist kein Inhalt, sondern ein Schmückedeinheim, mit dem sich das Volk der Richter und Henker seine Leere ornamentiert.

Karl Kraus

 

Unsere SA-Männer wurden in den Arbeitervierteln jubelnd begrüßt und mit Blumen überschüttet.

 

Die Rohheit kommt nicht von der Rohheit, sondern von den Geschäften, die ohne sie nicht mehr gemacht werden können. Bertolt Brecht

 

Clément Moreau - Der Streikposten wird abgeführt (1933)

 

 

 

Erich Weinert

SS schafft Ordnung

PARIS 1933 

Das ist ein neuer Sport geworden,
Und zwar ein exklusiver Sport.
Man darf jetzt wieder straflos morden.
Es lebe der legale Mord!
 
Man schießt ihn ab wie einen Spatzen,
Wer sich am Fenster sehen läßt.
Wie leuchten da die Schnöselfratzen!
Das geht wie auf dem Schützenfest.
 
Weh dem gejagten Wild, das wehrlos
Den Würgern in die Hände fällt!
Sie morden schamlos, feig und ehrlos.
Elitekorps der Unterwelt!
 
Seht sie euch an, die kalten Fressen!
Sie sollen unvergessen sein!
Wir Deutsche liebten zu vergessen.
Das sei vorbei! Prägt sie euch ein!
 
Wir ließen diese Mörderbande
Uns fünfzehn Jahre lang bedrohn.
Doch unsre Langmut ward zur Schande
Und unsre Menschlichkeit zum Hohn.
 
Was wir gelernt in diesen Zeiten,
Das soll, wenn unsre Fahne weht,
Uns nie zur Nachsicht mehr verleiten!
Es gibt auch Unerbittlichkeiten
Im Namen der Humanität.

 

Erich Weinert in Spanien 1937

 

Weiß-Ferdl kommt auf die Bühne und beginnt: "Heut' wär i beinah zu spät kumma. I hab nämlich oan kloanen Ausflug gemacht. Nach Dachau. Na, da sieht's aus! Stacheldraht, Maschinengewehre und wieder Stacheldraht! Aber das sag i euch - wann i will - i kumm rein!"

 

 

 

 

Werner Finck

Verdunkelungsübung 1938

Meinen Enkeln werde ich es so erzählen: Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot ausging, daß alles verdunkelt würde. Und diese Schützung war die erste von diesen Ausmaßen, und sie währte drei Tage und drei Nächte. Und ein jeglicher ging, damit er es einmal erlebe, ein jeglicher durch die Stadt.

Denn kaum war das Gebot ausgegangen, so taten es die Lichter auch, und eine Finsternis breitete sich aus zwischen den Häusern. Und die Züge der sonst so freundlichen Eisenbahn verfinsterten sich ob dieser Übungen. Und es war da kein Auto, das nicht eine Schwarzfahrt unternahm. Allein der Mond leuchtete einsam auf weiter Flur, und denkt euch, er, den sie sonst immer belächelten, jetzt wurde er für voll genommen. Er schien, nein, er schien noch von keiner Verdunkelung zu wissen. Es waren aber Flieger in der Nähe, irdische Heerscharen mit himmlischer Deckung, die sprachen: 
Auf zum fröhlichen Treffen, denn wahrlich, wir haben ein Geschäft, das noch etwas abwirft. Da murrte das untere Volk, und etliche warfen Scheine nach ihnen. Und ein Lärm erfüllte die Luft, und es brauste dahin und daher. Ja, es war wie am Morgen. Denn am Morgen des ersten Tages hub ein Heulen an in der ganzen Stadt, aber kein Zähneklappern. Denn es wußte ein jeglicher, daß er geschützt wurde von den Geschützen. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Keller. Und die Straßen und Plätze sprachen also: Diese Warnung soll uns eine Leere sein. So vergingen drei Tage und drei Nächte. Am vierten Tage aber war wieder alles wie zuvor. Einem jeglichen ging jetzt ein Licht auf, ohne daß er es hätte unter den Scheffel stellen müssen. Als man aber den Schaden besehen wollte; Siehe, da war keiner. Nichts war ernsthaft getroffen worden, außer ein paar Vorkehrungen.

 

 

Werner Finck

 

Henryk Keisch

Neues aus der deutschen Flüstergrotte    1938

Im Nazireich die Luft ist schwer               und dicht erfüllt von scharfem Flüstern.     Die Leute schnuppern, blähn die Nüstern: Was kann das sein? Wo kommt das her?

So Bürger, Bauer wie Prolet,                    die Pfarrer gar samt ihren Küstern,          straßauf straßab - sie alle flüstern,            daß es nun nimmer weitergeht.

Denn jeder sieht und weiß es schon         und jeder will es weiterflüstern,                daß Deutschlands Herren beutelüstern      die Welt mit Krieg und Brand bedrohn.

Daß dies Regime der Teufel hol,                   ist Sinn und Ziel von all dem Flüstern.           Dem Führer und seinen Ministern                 wird bei dem Flüstern gar nicht wohl.

Es schwankt und schwankt ihr Kartenhaus,  sie hörn es schon verdächtig knistern.          Das macht das Flüstern! Ja, dies Flüstern, Vorzeichen ist's ihres Garaus!

 

 

I sag gar nix...

 

Was ist ein Arier? Das Hinterteil von einem Proletarier.

 

Weiß-Ferdl hat von Hitler ein Bild mit eigenhändiger Unterschrift bekommen. "Das ist mein Freund, der Hitler", sagt er. "Jetzt weiß ich nur net, soll ich ihn aufhängen oder an die Wand stellen?"

 

 

Clément Moreau - Die Witwe mit der Asche  1938/39

 

Losung der KPD bei den Reichspräsidentenwahlen 1932 (Montage E.S.)

 

     Auf der Mauer stand mit Kreide: Sie wollen den Krieg!       
Der es geschrieben hat, ist schon gefallen.

Bertolt Brecht

 

 

Wenn wir den uns aufgezwungenen Krieg bloß nicht angefangen hätten.

 

 

Kriegsgefangene in Stalingrad

 

Und et heeßt zur Ermunterung der Blindenjruppe
„Wenigstens habt ihr en schönet Stück Welt jesehn!“ Robert Gilbert 

 

Ernst Busch

 

 

 

 

Wenn wir damals inmitten der gigantischen Rückzugsbewegungen unseres bereits geschlagenen Heeres das Wort von den nunmehr bald eintreffenden Geister-Divisionen kolportierten, (»Horst-Wessel-Regimenter« - das Wortspiel bezog sich auf die Passage jenes Liedes »Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschiern im Geist in unsern Reihen mit«.) so schufen wir einen politischen Witz mit nihilistischem Charakter. Er zeigte, daß wir gänzlich am Ende unserer soldatischen Kompetenz angekommen waren und doch weiterkämpften. An diesem Beispiel ist noch einmal die Ambivalenz des politischen Witzes unter dem offenen Faschismus zu fassen: der leichtfertige Spott in einer tödlich ernsten Situation über Hitler und seine willfährigen Helfer im OKW (Oberkommando der Wehrmacht), die Ironie über Führerkult und Horst-Wessel-Legende. Beide, vom Propaganda-Ministerium geschickt inszeniert, hielten uns nicht davon ab, bis zur militärischen Kapitulation weiterzukämpfen und dann in die Kriegsgefangenschaft zu gehen. Keiner von uns damals jungen Leuten hatte zudem bereits erkannt, daß die der Angst abgetrotzte Tapferkeit dazu diente, die Todesmühlen der faschistischen Ausrottungspolitik beweglich zu erhalten. Der Schritt zur Revision der Vergangenheit blieb auch für viele später schwer, weil sie einen Abschnitt ihrer Lebensgeschichte als verfehlt hätten erkennen und abarbeiten müssen. Damals jedoch - und es sollte festgehalten werden - verhalf der politische Witz im entstellten Vokabular von Horst Wessel einerseits zur ironischen Distanzierung gegenüber dem Verrat unserer militärischen Führungsspitze, andererseits hielt er uns nicht davon ab, in deren Sinne das militärische Handwerk bis zum vollständigen Sieg der alliierten Armeen über uns fortzusetzen. Zur weiteren Vernebelung des Bewußtseins verhalf, daß uns in den letzten Kriegsmonaten an der Ostfront mit den perfidesten Propagandatechniken der Schutz der deutschen Zivilbevölkerung als höchstes sittliches Gebot eingehämmert und die Rotarmisten als Bestien dargestellt wurden. So vollzogen wir durch den politischen Witz eine Art psychischer Entlastung für das von uns mitverschuldete Elend. Die Konsequenz jedoch entfiel, die Gewehre statt auf die anstürmenden Feinde auf die eigenen Oberkommandierenden zu richten.        Hans-Jochen Gamm

 

 

 

Indessen sind diese Materialien in einem spezifischen Sinne ambivalent. Zweifellos enthalten sie durchaus Kritik an der offenen Diktatur und schließen damit auch Elemente von Widerstand ein; andererseits bleiben sie in der Grauzone der Feigheit. Heimlich nehmen sie den Mund voll, und ihre Träger konnten sich gleichwohl als fügsame Gehilfen in die großeTerrormaschine namens Faschismus einbauen lassen. Selbst die politischen Kader jenes Systems waren dem regimekritischen Witz nicht abhold. Nirgends hat dieses intellektuelle Produkt nachweislich Widerstand ausgelöst; ob es als Ferment des faktischen Widerstands gelten darf, läßt sich schwer beurteilen. Die Ambivalenz liegt schlicht darin, daß die Kolportage von Witz lustbesetzt ist, und der Witzeerzähler seinen Spaß darin findet, mit überraschenden Pointen aufzuwarten, sich als Besserwisser und überlegener Interpret anerkennen zu lassen. Mithin haben jene Witze ihre damaligen Zwischenträger einerseits gefährdet, sofern sie in die falschen Ohren gerieten; andererseits haben die Kolporteure sich dadurch moralisch nicht aufgerüstet. Sie fochten für die Nazis bis zum bitteren Ende und bleiben mitverantwortlich für die Greuel, die seitdem mit dem deutschen Namen verbunden sind..... War der Flüsterwitz weithin der Ausweis gelähmter Initiative und untergründigen Grollens, so wäre deren aktive Version der Aufbau solidarischer Gewißheiten, die als Bedingung der Möglichkeit jeder praktischen Veränderung kenntlich sein müssen. In der Tat wäre damit ein neuer Begriff von Gesellschaftspädagogik zu fassen, der sich aus jenen Quellen speist, die auch die Kräfte des politischen Witzes ausmachen. Wären die Impulse, die er für Spott und Ironie verausgabt, um eine kritikbedürftige Situation zu kennzeichnen, als gesellschaftsveränderndes Potential faßlich, so stünde ein mehrfaches an Kraft zur Verfügung, das sonst in der...eigentümlichen Ambivalenz des Witzes sich selbst schließlich nur paralysiert, indem es wie beim Inferno des Faschismus in Resignation abgleitet.

Professor Hans-Jochen Gamm, Der Flüsterwitz im dritten Reich, Piper 1993

 

Völkischer Zorn 1

 

Völkischer Zorn 2

 

Völkischer Zorn 3

 

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Rückblicke auf 1933

Atemberaubender »Mut zur Lücke« in den Medien

Ludwig Elm

Der venezolanische Präsident Hugo Chavez bemerkte kürzlich, dass die Bundeskanzlerin zu jener politischen Rechten in Deutschland gehört, die Hitler an die Macht gebracht habe. Obwohl polemisch vergröbert, ist die Aussage im Kern zutreffend. Deutsche Politiker und Publizisten behaupteten, Merkel sei von Chavez mit Hitler verglichen oder gar gleichgesetzt worden. Die gefälschte These ist - da unhaltbar - leichter zu denunzieren. Die Episode ist symptomatisch. Die herrschende Geschichtsideologie weigert sich weiterhin, elementare Wahrheiten von 1932/33 einzugestehen. Das verraten Beiträge zu den Vorgängen vor 75 Jahren.

Auch im Jahr 2008 beherrscht das rechtsgerichtete Totalitarismus-Konzept die Äußerungen von Politikern, Publizisten und Wissenschaftlern zum Scheitern der Weimarer Republik und zur Errichtung der NS-Diktatur. Ihm zufolge hätten Nazis und Kommunisten die parlamentarische Demokratie zerstört. Das Ausmaß der Zermürbung des Gemeinwesens sei laut Spiegel (3/2008) daran zu erkennen gewesen, »dass 1932 mehr als die Hälfte der Wähler für NSDAP und KPD gestimmt hatten - für Parteien also, die sich blutig bekämpften und deren Führungen politische Morde guthießen.« Die antikommunistische Deutung lässt sich in ihren Grunddogmen auch von Forschungsergebnissen nicht beirren.

In der Gedenkstunde des Bundestages am 10. April 2008 bediente Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) diese Klischees: »In einer beispiellosen Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung, mit der sich in Straßen- und Saalschlachten zunehmend der Eindruck eines begonnenen Bürgerkrieges verbreitete und Pöbeleien und Prügeleien als Obstruktionsstrategie der Republikfeinde zum parlamentarischen Alltag wurden«, sei die Parlamentsverachtung in der Bevölkerung gewachsen. Hätten kommunistische und sozialdemokratische Arbeiter sowie Gewerkschafter früher und kampflos die Versammlungsräume, Straßen, Wohngebiete und Städte den Nazis überlassen sollen, deren provokatorische Aufmärsche von rechts­bürgerlichen Politikern, Beamten und Juristen immer wieder begünstigt wurden?

Der Berliner Verkehrsarbeiterstreik von Ende 1932 wird unverändert für das »Rot gleich Braun«-Schema strapaziert: Die Nazis beteiligten sich daran, um mit sozialer Demagogie ihren Einfluss unter Arbeitern zu vergrößern. Für die Entscheidung über das Herrschaftssystem im Deutschen Reich war der Konflikt bedeutungslos. Die geschichtsfälschende Parallelisierung richtet sich gegen die Linke von gestern und heute. Die spezifische terroristisch- menschenverachtende Natur der faschistischen Bewegung und Ideologie verschwindet ebenso wie der antifaschistische Widerstand der Kommunisten — der ersten Adressaten eines zunehmend flächendeckenden Terrors. Zugleich wird von den Kräften in Politik, Wirtschaft und Geistesleben abgelenkt, die sich ab 1931/32 auch offen mit dem Nazismus verbündeten.

»Im Gegensatz zu Lenin und anderen Diktatoren«, ist im genannten Spiegel-Heft über Hitler zu lesen, »verdankte er seinen Aufstieg demokratischen Wahlen.« Es wird unterschlagen, dass es sich um den Unterschied zwischen einer wirklichen Revolution und einer Machtverschiebung innerhalb einer bürgerlich-aristokratisch beherrschten Gesellschaft handelt. Hinzuzufügen ist, dass es Millionen Wähler Hitlers in der Krise der Republik auch deshalb gab, weil sie von den Nutznießern des Bildungsprivilegs seit Jahrzehnten vor allem völkisch-nationalistisch, großmachtpolitisch und antisozialistisch erzogen worden waren. Spiegels Geschichtsbild reproduziert die antikommunistischen Bedrohungslügen von 1932/33. Auch die Motive ähneln sich: Politische Ängste und Desorientierungen dienen dazu, eigene Vorstellungen und Interessen durchzusetzen.

Helmut Schmidt verkündet im Juni 2008 (Zeit-Magazin Nr. 26) unbelehrbar und unwidersprochen, die Weimarer Republik sei zugrunde gegangen wegen der Wirtschaftskrise »und weil Nazis und Kommunisten sie sodann gemeinsam kaputt gemacht haben.« Auch die Mär von der Alleinschuld van der Lubbes am Reichstagsbrand wurde wieder aufgewärmt. Sie ist zählebig, weil sie Raum lässt für den Verdacht, dass es Anfang 1933 im kommunistischen Lager Sympathien oder gar Vorbereitungen für Provokationen und Putsche gegeben hätte.

Zur Situation im Januar 1933 war in Heft 27 von Geoepoche zu lesen: »Der Reichstag, in dem rechte und linke Extremisten die Mehrheit haben, ist handlungsunfähig.« Der Historiker Michael Stürmer, der beruflich von Tatsachen ausgehen und es besser wissen sollte, schrieb am 5. März 2008 in Die Welt: Während »die Sozialdemokraten im Reichstag zu retten suchten, was zu retten war, blockierten KPD und NSDAP in tobender Wahlverwandtschaft das Parlament«. Tatsächlich waren der im Juli 1932 sowie der im November 1932 gewählte Reichstag handlungsunfähig - allerdings durch eine rechte Mehrheit: Alle bürgerlichen Parteien wählten Hermann Göring beide Male zum Präsidenten des Parlaments. Sie ließen ihre Vizepräsidenten auch von den Nazis wählen und halfen Göring, die Arbeit des Reichstags lahm zu legen. Initiativen von SPD und KPD wurden vom bürgerlichen Block abgelehnt and die Volksvertretung ausgeschaltet, bis hinter den Kulissen das Kabinett Hitler ausgehandelt war. Mur SPD und KPD brachten am 30. Januar 1933 Anträge ein, der Reichstag möge der Regierung Hitler das Vertrauen entziehen.

Die am antidemokratischen Intrigenspiel maßgeblich beteiligten Vorläuferparteien der CDU/ CSU - Zentrum und Bayerische Volkspartei (BVP) werden in bundesdeutschen Medien kaum erwähnt. Das gilt erst recht für ihre Spitzenpolitiker wie die Parteivorsitzenden Prälat Ludwig Kaas und Fritz Schäffer, aber auch den Kölner Oberbürgermeister (seit 1917) und Vorsitzenden des Preußischen Staatsrats (1920-1933), Konrad Adenauer. Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 gaben alle bürgerlichen Parteien die Republik auf.

Gemeinsam mit NSDAP und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) brachten Zentrum und BVP eine außenpolitische Entschließung ein, mit der der Reichstag die verlogene friedenspolitische Rede Hitlers am 17. Mai 1933 billigte und »sich geschlossen hinter die Reichsregierung« stellte. Alle übrigen, nach der bereits im März erfolgten Annullierung der Mandate der KPD im Reichstag verbliebenen Parteien einschließlich der bereits dezimierten SPD-Fraktion, stimmten zu. Der Spiegel (3/2008) bemerkte zwar zu 1933, dass die Rolle der bürgerlichen Parteien »auf ewig ein Schandmal der Geschichte des deutschen Bürgertums bleiben« wird. Aber die für das Versagen verantwortlichen Parteien und Politiker blieben ungenannt.

Die Anonymisierung der Ja-Sager von 1933 diente ab 1948/49 der Restauration und wird heute als geschichtsideologische Legitimation für CDU/CSU, FDP und ihnen nahestehende Gruppierungen benutzt. In der erwähnten Gedenksitzung des Bundestages meinte selbst Hans-Jochen Vogel (SPD), hier sei »nicht der Ort, über die Gründe zu rechten, aus denen nicht nur die Nationalsozialisten und die Deutsch-Nationalen, sondern auch die Abgeordneten der anderen Parteien« dem Ermächtigungsgesetz zustimmten. Zutreffend stellte er jedoch fest, dass damit »der Übergang zur Diktatur vollendet und allem, was dann folgte, der Boden bereitet« war. Die verbreitete Phrase, dass es der Republik an wirklichen Demokraten gefehlt habe, ersetzt die konkret-historische Kritik.

Im Spiegel Spezial Geschichte (1/2008) zu »Hitlers Machtergreifung« fehlen in der Chronik für die ersten Monate 1933 Ereignisse, die tatsächlich für die Machtfrage entscheidend waren und Wesentliches über den entstehenden »Verbrecherstaat« (Karl Jaspers) verraten: Die geheime Rede Hitlers vor den Befehlshabern der Reichswehr am 3. Februar sowie das Treffen Hitlers und Görings mit etwa zwei Dutzend Industriellen und Bankiers am 20. Februar. An Letzterem nahmen u. a. teil: Robert Bosch (IG Farben), Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (Reichsverband der deutschen Industrie), Hjalmar Schacht (Bankwesen) und Albert Vogler (Vereinigte Stahlwerke). Unter den mehr als dreißig Beiträgen des Heftes finden sich keine zur Rolle der Reichswehrführung, der Industrie- und Bankkapitäne sowie der Führungen der bürgerlichen Parteien. Es gibt keinen Aufsatz über das geistig-moralische Versagen des Bildungsbürgertums, insbesondere der Mehrheit der Professoren, der Justiz und der höheren Beamtenschaft. Der »Mut zur Lücke« ist atemberaubend. Längst wissenschaftlich zerpflückte Legenden und Lügen werden fortgeschrieben oder neu aufgelegt. Die meisten beamteten Historiker und wohldotierten Journalisten nehmen an dem aufklärungsfeindlichen Treiben teil oder finden sich damit ohne nennenswerten Widerspruch ab. Das politische und ideelle Widerstehen gegen die fortschrittsfeindliche Deutung der verhängnisvollsten Ereignisse deutscher Geschichte muss einmal mehr vor allem von radikaldemokratischen und antifaschistischen Bewegungen ausgehen.

Aus  „Antifa“ Magazin der VVN- Bund der Antifaschisten Juli/August 2008

Eine neue Veröffentlichung von Prof. Dr. Ludwig Elm:
Legal in den Verbrecherstaat? Zum Anteil aller bürgerlichen Parteien an der Zerstörung der Weimarer Republik und der Errichtung der nazistischen Diktatur 1932/33, Jena 2008

 

 

 

Wie CDU/CSU und FDP Adolf Hitler zur Macht verhalfen, um "Deutschland vor dem Marxismus zu retten":

Nein, Parteien dieses Namens gab es damals noch nicht. 1945/46 wagten die Vertreter des "Zentrum", der "Bayrischen Volkspartei" und der "Deutschen Staatspartei" nicht mehr, unter diesen Namen zu firmieren. Die Scham über die Rolle ihrer Parteien in den Jahren 1932 und 1933 war groß. Sie wagten noch nicht einmal, sich zum Kapitalismus zu bekennen, sie forderten z.B. einen "Sozialismus aus christlicher Verantwortung".  Die vom Reichspräsidenten Hindenburg am 1. Juli 1932 eingesetzte Rechtsregierung des Zentrumsmannes Franz von Papen wollte "den Kommunismus rücksichtslos unterdrücken" und schließlich "austilgen". Diesem Ziel war die Regierung des Bundeslandes Preußen, die von SPD und Zentrum gebildet worden war, im Weg, da sie es "an Planmäßigkeit und Zielbewusstsein gegen die kommunistische Bewegung fehlen" ließe. Eine Hauptsorge der bürgerlichen Kräfte war das Zusammengehen von Sozialdemokraten und Kommunisten, das trotz aller Gegensätzlichkeit an Umfang zunahm. Von den Verfassungsschutzbehörden wurden die Einheitsfrontbestrebungen intensiv beobachtet. Das Kabinett von Papen (neben Papen war die überwiegende Mehrheit der Minister ebenfalls adeliger Herkunft; bei allen handelte es sich um Hardliner des Konservatismus und Deutschnationalismus. Ihre parlamentarische Basis im Reichstag beschränkte sich auf eine Handvoll Abgeordneter. Doch waren die Papen-Minister auch nach dem 30. Januar 1933 noch trefflich zu gebrauchen; und so amtierten die meisten unter Hitler eifrig und beflissen weiter) beschloss, die preußische Regierung abzusetzen. Aufschlussreich für die Nachwelt sind die Protokolle  der Sitzungen, in denen das Für und Wider diskutiert wurde.

Aus dem Protokoll der Ministerbesprechung vom 11. Juli 1932:

"... Nach sehr sorgfältiger Überlegung sei er (Reichsminister des Innern Freiherr von Gayl) zu dem Ergebnis gekommen, dass jetzt für die Reichsregierung der psychologische Moment zum Eingreifen gekommen sei. Er schlage vor, dem Herrn Reichspräsidenten eine Verordnung zur Vollziehung vorzulegen, durch die ein Reichskommissar für Preußen eingesetzt werde. Die polizeilichen Verhältnisse müssen durch Ersetzung der Polizeipräsidenten in Ordnung gebracht werden. Als Reichskommissar schlage er den Reichskanzler vor...

...Der Reichskanzler (Franz von Papen) führte aus, dass jetzt ein Entschluss gefasst werden müsse. Die Polizeigewalt müsse eine feste Staatsführung spüren. Bisher seien alle Maßnahmen der Reichsregierung durch die Preußische Staatsregierung sabotiert worden. ...

...Der Reichsminister des Auswärtigen (Freiherr von Neurath) führte aus, dass die beabsichtigten Maßnahmen im Auslande Aufregung und Kritik verursachen würden. Das würde ihn aber nicht schrecken. ...

...Der Reichsverkehrsminister (Freiherr von Eltz-Rübenach) betonte, dass in Preußen Ordnung geschaffen werden müsse. Er habe von einer kürzlich stattgefundenen Besprechung von Sozialdemokraten und Kommunisten gehört mit dem Thema "Antifaschismus". ...

...Der Reichskanzler fasste das Ergebnis der Besprechung folgendermaßen zusammen: Das Reichskabinett ist sich einig über die Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen. Die Begründung und Formulierung der zu erlassenden Verordnung wird dem Reichminister des Innern und dem Reichsminister der Justiz überlassen. ..."

Sitzung vom 12. Juli 1932:

"...Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft (Freiherr von Braun) warf die Frage auf, was denn geschehen solle, wenn Minister Hirtsiefer Widerstand leiste.

Der Reichswehrminister (von Schleicher) führte aus, dass eventuell dem militärischen Befehlshaber die vollziehende Gewalt übertragen werden könne.

Staatssekretär Dr. Meißner führte aus, man müsse Preußen vor ein Ultimatum stellen. Bisher habe dann, wenn ein Reichskommissar eingesetzt worden sei, immer eine offensichtliche Widersetzlichkeit der Landesregierung vorgelegen. Man müsse darauf achten, vorm Staatsgerichtshof zu bestehen. Deshalb müsse Preußen vor der Öffentlichkeit ins Unrecht gesetzt werden. ...

...Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bezeichnete die Bedenken des Staatssekretärs Dr. Meißner als gewichtig. Vielleicht könne die Reichsregierung Fragen an die Preußische Staatsregierung richten, auf deren Verneinung hin ein Reichskommissar eingesetzt werde. ...

...Der Reichswirtschaftsminister (Dr. Warmbold) warf die Frage auf, was dann geschehen solle, wenn als Folge der Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen der Generalstreik erklärt werde.

Der Reichsminister des Innern erwiderte, dass dann der militärische Ausnahmezustand verhängt werden müsse. ..."

Am 20. Juli 1932 setzte das von keinem Volk gewählte Kabinett von Papen die Preußische Staatsregierung ab. Der preußische Innenminister Severing erklärte, dass er die Verordnung für verfassungswidrig halte. Er werde nur der Gewalt weichen oder dann gehen, wenn er durch eine ausdrückliche Anordnung des Reichspräsidenten oder durch einen Beschluss des Landtages abgesetzt werde. Doch mehr als Theaterdonner bedeutete das nicht. Sechs Stunden später einigte er sich ganz friedlich mit seinem frisch ernannten Nachfolger. So erschien weitere vier Stunden später, um 20 Uhr an diesem geschichtsträchtigen Tag, verabredungsgemäß der Berliner Polizeipräsident mit einem Polizeihauptmann im Büro Severings. Und der wich, ohne dass irgendjemand auch nur an seinem Ärmel zupfen musste, dem einen uniformierten Manne und ging so friedlich wie unversehrt nach Hause.

 

Zweites Beispiel: Das Ermächtigungsgesetz

Am 23. März 1933 verabschiedete der Reichstag das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich", mit dem das Parlament auf seine Rechte verzichtete und mit dem die Anwendung der Grundrechte der Weimarer Verfassung in das Belieben der Naziregierung gestellt wurde. Bei der Tagung fehlten die Abgeordneten der KPD, die seit der Machtübergabe an die Nazis verfolgt und eingekerkert worden waren. Die SPD stimmte als einzige Partei bei der Sitzung dagegen. Alle anderen bürgerlichen Parteienvertreter stimmten dem Ermächtigungsgesetz und damit der Hitlerdiktatur zu. Auch hier mögen Auszüge aus dem Sitzungsprotokoll der Nachwelt Aufschluss geben:

"Präsident Göring: ... Das Wort hat der Abgeordnete Wels.

Wels (SPD), Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Der außenpolitischen Forderung deutscher Gleichberechtigung, die der Herr Reichskanzler (Hitler- E.S.) erhoben hat, stimmen wir Sozialdemokraten um so nachdrücklicher zu, als wir sie bereits von jeher grundsätzlich verfochten haben. (Sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten.) Ich darf mir wohl in diesem Zusammenhang die persönliche Bemerkung gestatten, dass ich als erster Deutscher vor einem internationalen Forum, auf der Berner Konferenz am 3. Februar des Jahres 1919, der Unwahrheit von der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Weltkrieges entgegengetreten bin. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)...    ...Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt... Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht - - (Lachen bei den Nationalsozialisten. - Bravo! bei den Sozialdemokraten) verbürgen eine hellere Zukunft....

Hitler, Reichskanzler: Spät kommt ihr, doch ihr kommt! ...

Dr. Kaas (Z), Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Im Namen der Zentrumsfraktion des deutschen Reichstags habe ich die Ehre, vor diesem hohen Hause folgende Erklärung abzugeben. Die gegenwärtige Stunde kann für uns nicht im Zeichen der Worte stehen. Ihr Gesetz, Ihr einziges, Ihr beherrschendes Gesetz ist das der raschen, bewahrenden, aufbauenden und rettenden Tat. Diese Tat kann nur geboren werden in der Sammlung. In Zerklüftung und Kampf würde sie bereis in ihrem Werden zu zerbrechen drohen. Die deutsche Zentrumspartei, die den großen Sammlungsgedanken schon seit langem und trotz vorrübergehender Enttäuschungen mit Nachdruck und Überzeugung vertreten hat, setzt sich in dieser Stunde, wo alle kleinen und engen Erwägungen schweigen müssen, bewusst und aus nationalem Verantwortungsgefühl über alle parteipolitischen Bedenken hinweg. Sie lässt selbst solche Bedenken in den Hintergrund treten, die in normalen Zeiten pflichtmäßig und kaum überwindbar wären. Im Angesichte der brennenden Not, in der Volk und Staat gegenwärtig stehen, im Angesichte der riesenhaften Aufgaben, die der deutsche Wiederaufbau an uns alle stellt, im Angesichte vor allem der Sturmwolken, die in Deutschland und um Deutschland aufzusteigen beginnen, reichen wir von der deutschen Zentrumspartei in dieser Stunde allen, auch früheren Gegnern, die Hand, um die Fortführung des nationalen Rettungswerkes zu sichern, (Beifall bei den Nationalsozialisten) die Wiederherstellung geordneten Staats- und Rechtslebens zu beschleunigen, chaotischen Entwicklungen einen festen Damm entgegenzusetzen, zusammen mit alle denen - ganz gleich, aus welchen Lagern und Gruppen der deutschen Volksgenossen sie kommen mögen -, die ehrlichen, auf Aufbau und Ordnung gerichteten Willens sind. ... Manche der von Ihnen, Herr Reichskanzler, abgegebenen sachlichen Erklärungen geben uns, wie ich mit Befriedigung in aller Offenheit hier feststelle, bezüglich einzelner wesentlicher Punkte des deutschen Staats-, Rechts- und Kulturlebens - vor allem auch in Verbindung mit den bei den Vorverhandlungen gemachten Feststellungen - die Möglichkeit, eine Reihe wesentlicher Bedenken, welche die zeitliche und die sachliche Ausdehnung des Ermächtigungsbegehrens der Regierung bei uns ausgelöst hatte und auslösen musste, anders zu beurteilen. In der Voraussetzung, dass diese von Ihnen abgegebenen Erklärungen die grundsätzliche und die praktische Richtlinie für die Durchführung der zu erwartenden Gesetzgebungsarbeit sein werden, gibt die deutsche Zentrumspartei dem Ermächtigungsgesetz ihre Zustimmung. (Lebhafter Beifall im Zentrum, bei der Bayerischen Volkspartei und bei den Nationalsozialisten.)

Präsident Göring: Das Wort hat der Abgeordnete Ritter von Lex.
Ritter
von Lex (BV), Abgeordneter: Deutsche Männer! Deutsche Frauen! Namens meiner politischen Freunde habe ich folgende Erklärung abzugeben. Die Bayerische Volkspartei als Partei der christlich-nationalen Weltanschauung und Staatsauffassung hat nach der schmachvollen Revolution von 1918 in vorderster Linie für die Erhaltung und Wiedergewinnung nationaler Gesinnung in allen Ständen und Schichten den Volks gekämpft. Der von ihr gestellte bayerische Ministerpräsident hat als einer der ersten deutschen Staatsmänner schon im Jahre 1922 die Lüge von der deutschen Kriegsschuld vor aller Welt zurückgewiesen. Seit ihrem Bestehen hat die Bayerische Volkspartei namentlich auch in der Jugend mit aller Entschiedenheit für die Pflege des nationalen Gedankens sich eingesetzt (Sehr wahr! Bei der Bayerischen Volkspartei.) Dem Sehnen nach wehrhafter nationaler Betätigung hat sie durch Schaffung eines eigenen vaterländischen Wehrverbandes Rechnung getragen. Die Bayerische Volkspartei hat unentwegt mitgearbeitet an der schwierigen und entsagungsvollen Arbeit, die dem deutschem Volke trotz der fürchterlichen Folgen des verlorenen Weltkrieges,  der außenpolitischen Drangsale und der Zerrüttung der Wirtschaft Bestand und Glauben an seine eigene Kraft bis in die Tage der nationalen Erhebung bewahrt hat. Es ist selbstverständlich, dass eine Partei, die von solcher Einstellungen beseelt war und beseelt ist, auch in der geschichtlichen Wende dieser Tage zur tatkräftigen Mitarbeit am nationalen Aufbauwerk entscheiden bereit ist. ...  ...  Wir geben jedoch dabei der Hoffnung Ausdruck, dass die Durchführung und die Handhabung des Ermächtigungsgesetzes sich in den Schanken des christlichen Sittengesetzes hält. Kein Ermächtigungsgesetz kann irgendeine Regierung oder Einzelperson von dieser Pflicht befreien. Die Verantwortung für die Durchführung des Gesetzes im Einzelnen legen wir vor Gott, dem deutschen Volke und der deutschen Geschichte in die Hände der Reichsregierung. (Bravo und Händeklatschen.)

Präsident Göring: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Maier (Württemberg)
Dr.
Maier (Württemberg) (StP), Abgeordneter: Meine sehr verehrten Frauen und Männer! Namens der Abgeordneten der Deutschen Staatspartei habe ich folgende kurze Erklärung abzugeben: Das deutsche Volk hat am 5. März  eine absolute Mehrheit der Rechten in den Reichstag gewählt und damit seinen Willen bekundet, die Führung seines Staates der gegenwärtigen Regierung anzuvertrauen. Wir hoffen und wünschen, dass das deutsche Volk unter der jetzigen Leitung seinen seit 14 Jahren zäh und opfervoll geführten Kampf um Freiheit und Wiedererstarken der deutschen Nation erfolgreich zu Ende bringen möge. Wir fühlen uns in den großen nationalen Zielen durchaus mit der Auffassung verbunden, wie sie heute vom Herrn Reichskanzler vorgetragen wurde. Wir leugnen auch keineswegs, dass Notzeiten besondere Maßnahmen erfordern, und haben deswegen wiederholt Ermächtigungsgesetzen und Notverordnungen zugestimmt. ...  Wir vermissen in dem vorliegenden Gesetzentwurf, dass den verfassungsmäßigen Grundrechten des Volkes und den Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung keine ausdrückliche Sicherung vor Eingriffen gegeben wurde. Unantastbar müssen vor allem bleiben die Unabhängigkeit der Gerichte, das Berufsbeamtentum und seine Rechte, das selbstbestimmende Koalitionsrecht der Berufe, die staatsbürgerliche Gleichberechtung, die Freiheit von Kunst und Wissenschaft wie ihrer Lehre. Diese Werte, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Grundelemente jedes Gemeinschaftslebens in einem geordneten Rechtsstaat. Gerade sie wurden durch die Verfassung von Weimar aus der alten deutschen und aus der alten preußischen staatlichen Tradition gerettet, und sie dürfen heute wir vor 14 Jahren nicht gefährdet werden. Im Interesse von Volk und Vaterland und in der Erwartung einer gesetzmäßigen Entwicklung werden wir unsere ernsten Bedenken zurückstellen und dem Ermächtigungsgesetz zustimmen. (Beifall)"

 

 

 

Auch der spätere erste Bundespräsident Theodor Heuß (FDP) und Adenauers späterer Minister Ernst Lemmer verhalfen Hitler zur Macht.

 

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